15 Jahre The Knowledge Company

Im Dezember feierte Cogneon sein 15-jähriges Bestehen und lud dazu nach Nürnberg ein. Neben den treuen Weggefährten des Unternehmens waren auch viele Vor- und Neudenker mit dabei. Die Reise von der Gründung des Unternehmens bis heute ist auch im Management 2.0 Podcast erschienen und zeigt eine Vielzahl an Facetten rund um das Thema Wissensmanagement.

Somit scheint es den Versuch wert, die wichtigsten Aspekte dieser Reise in einem Blogbeitrag festzuhalten.
Wissensmanagement war der Antrieb und Fokus für Cogneon. Ausgehend von einer eher technisch geprägten Betrachtung wie Informationsarchitekturen, Auszeichnungssprachen oder Ablagesystematiken hat sich das Verständnis von Wissensmanagement deutlich in Richtung der Menschen und Organisationen verlagert. 

Begleitet wird diese Evolution vom bemerkenswerten Pioniergeist eines Unternehmens, das sich immer wieder als Vorreiter mit innovativen Formaten, Methoden und Denkweisen zeigt.

 

cogneon: the knowledge company

 

So steht das Future Center in Nürnberg schon früh als ein herausragender realer Ort bereit, um mit neuen Formaten zu experimentieren. Hier ist der erste deutsche Massive Open Online Course verortet, der Management 2.0 MOOC, gefolgt vom Corporate Learning MOOC. Das Familientreffen der deutschen Wissensmanagementgemeinde – die über Jahrzehnte bei der Bitkom verankerte KnowTech – findet hier als KnowTouch eine neue Heimat und der hauseigene Podcast Knowledge on Air entsteht hier genauso regelmässig wie der Management 2.0 Podcast.

Von der Wissensdokumentation zur Wissenspersonalisierung

Wir sind heute mehr denn je mitten im lebenslangen Lernen angekommen. Die bisherige Vorstellung von einer reinen Ausbildungsphase, in der alle notwendige Qualifikation für das ganze Berufsleben erworben wird, scheitert offensichtlich schon daran, dass selbst die beste Universitätsausbildung spätestens nach 12 bis 18 Monaten bereits zur Hälfte veraltet ist.

Stattdessen rückt immer deutlicher neues Denken wie der von Adidas geprägte the new way of learning ins Bewusstsein. Nach ihm findet 70% des Lernens während der Arbeit, 20% innerhalb der persönlichen Netzwerke und nur 10% durch klassische Qualifikationen wie Weiterbildungen statt. Gleichzeitig wird dem Lernen ein deutlich höherer Wert zugemessen. So wird im Holistic Knowledge Cycle Lernen als ein wesentlicher Teil des Innovationsprozesses begriffen.

Aus dieser Einsicht haben sich bei Adidas The Shed, der Learning Campus oder die angebundene Corporate University entwickelt, die nicht nur einer eingeschränkten Zielgruppe, sondern konsequent allen Mitarbeitern offen stehen, von den Aushilfen in den Stores bis zum Vorstand.

Das Dual Operating System der Organisation

Diese Offenheit liefert ganz nebenbei die Macher, die corporate rebels, die Dinge aus eigenem Antrieb in die Hand nehmen („don’t ask for permission, ask for forgiveness“) und die sich auch von anscheinenden Schranken nicht bremsen lassen, nur um anschliessend festzustellen, dass es oft nur Denkwiderstände waren.

Um sie herum können dann zusammen mit physischen Orten wie Community Spaces (creative spaces – coworking space, hacker space, fablab, learning campus) eigenständige Nuklei entstehen, die als Multiplikatoren oder Botschafter für neue Wege stehen.

Hier zeigt sich das Konzept von einem Schattenbetriebssystem, das sich parallel neben der klassischen Hierarchie und Top-Down Struktur der Organisation entwickeln kann. Mit eigenen aktivitätsgetriebenen Regeln und einer flachen Netzwerkstruktur entsteht ein third space, der neben dem Arbeitsplatz oder dem Zuhause eine wesentliche Bedeutung gewinnt.

Führung und Gestaltung lernender Organisationen

Standen in den ersten Jahren noch Themen wie expert debriefing oder die systematische Externalisierung von implizitem Wissen im Mittelpunkt so entstand spätestens ab 2005 mit den ersten Jams, Barcamps oder Hackathons eine neue Sicht auf Wissens- (und General-)Management. Hier unterstützen motivationsgetriebene Formate wie Wikis, Lessons Learned oder Communities of Practice gezielt Vernetzung, Wissensteilen, Lernen und gemeinsame Zusammenarbeit.

Aus der ursprünglichen Definition für Wissensmanagement – der Planung, Führung und Controlling von Wissensprozessen – hat sich damit die Führung und Gestaltung lernender Organisationen entwickelt. Hier steht die Begeisterung aller Mitarbeiter für das Thema Lernen im Mittelpunkt. Der Lernprozess umfasst nicht nur das Denken, bereits zu wissen, wie etwas funktioniert, sondern vielmehr das Experimentieren, Spielen, Gestalten und vor allem auch das bewußte Scheitern.

Wissensmanagement durch Kontextsteuerung

Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass sich Wissen überhaupt nicht managen lässt, sondern man nur das Umfeld dazu entsprechend gestalten kann, man also stattdessen Kontextsteuerung übernimmt. Dies lässt sich z.B. über Räume steuern, in denen sich Mitarbeiter gerne austauschen oder über Veranstaltungsformate, bei denen Wissen transferiert wird.

Dieses Bereitstellen der richtigen Rahmenbedingungen sollte in keinem Fall die Illusion erwecken, dass sich kontrollieren lässt, was dort genau inhaltlich passiert oder wie es vor sich geht. Es lässt sich somit weder messen noch mit einem konkreten Wert versehen. Gleichzeitig bietet dieses Herangehen das Potential, dass neue, unerwartete (werthaltige) Dinge darüber entstehen.

In der Anfangszeit stand das Thema Wissensmanagement oft im Wettbewerb mit den verantwortlichen Bereichen für Weiterbildung, Schulung oder Kommunikation. Die Vision der lernenden Organisation hatte hier die Rolle des Türöffners, um die Bereiche zusammenzubringen und heute findet sich das Thema Wissensmanagement eher als Querschnittsfunktion statt gekapselt in einer eigenen Abteilung.

Persönliches Wissensmanagement statt Expert Debriefing

Mit dem expert debriefing möchte man vorhandenes Wissen auch beim Weggang von einzelnen Wissensträgern im Unternehmen bewahren. Die Methode ist teilweise fest im Personalprozess verankert und beobachtet gezielt Wissensträger mit Fluktuationsrisiko. Damit diese (Not-)Situation erst gar nicht entsteht, sollten Mitarbeiter von Anfang an aktiv mit persönlichem Wissensmanagement unterstützt werden.

In Vergangenheit lag der Fokus oft auf dem organisationalem Wissensmanagement, der Bereitstellung von technischer Infrastruktur oder der Orchestrierung von Methoden. Die Frage „what’s in it for me?“ ist dagegen immer noch im Hintertreffen und scheint sich gerade mit Plattformen wie Evernote, Onenote und anderen Pinwerkzeugen mehr ins Bewusstsein zu bewegen, verstärkt von Selbstorganisationssystemen wie z.B. getting things done.

Service Design, intuitive Verwendbarkeit und der Nutzer / Nutzen im Mittelpunkt

Kreativität, Service Design, Design Thinking, Gestaltung von immateriellen Dingen wie Prozesse oder Dienstleistungen. Daraus entstand die Definition Führung und Gestaltung lernender Organisationen.

Daraus lässt sich ableiten, wie wichtig es ist, Wissen und Inhalte nicht nur irgendwie (technokratisch) zu erfassen, sondern auch attraktiv zu gestalten, intuitiv verwendbar zu machen und nutzbringend anzubieten („Knowledge has to do with truth, beauty and goodness“, Prof. Nonaka). Nüchterne Managementmetriken wie die Anzahl von vorhandenen Dokumenten, Abrufzahlen oder Verweildauer greifen hier zu kurz.

Von der lernenden Organisation zur Akademie Everywhere

Mit dem eher technisch geprägten Wissensmanagement hat vor 15 Jahren eine spannende Reise begonnen, die heute bei den sozialen Wissensgemeinschaften angekommen ist. Ihre Zukunft wird wohl von Themen wie KI, Knowledge Graphs oder Open Innovation wesentlich mitgeprägt werden. Für Cogneon stehen dabei vier zentrale Themenbereiche im Mittelpunkt der kommenden drei Jahre (bis zur Volljährigkeit):

  1. Das Leitbild der lernenden Organisation
    In einer zunehmend veränderlichen, unsicheren, komplexen und ambivalenten Welt („vuka“) gewinnen Themen wie Machine Learning oder soziotechnische Systeme mehr Gewicht, da sie besser als die bisherigen klassischen Methoden Antworten für den Umgang mit dieser Komplexität liefern können.
  2. Lebenslanges Lernen
    Mit dem Ende der Ausbildung ist der Lernprozess schon lange nicht mehr abgeschlossen, sondern wir wechseln nur eine Lebensphase im permanenten Lernen. Der Lernpfad endet somit nicht mit der Schule, Ausbildung oder Universität, sondern wird idealerweise innerhalb des Unternehmens, z.B. an der eigenen corporate university, weitergeführt. Mit neuen Rollen wie dem employee experience design werden alle Berührpunkte der Organisation mit den Mitarbeitern gezielt optimiert. Die Erfahrungen rund um Wissen und Lernen innerhalb einer Organisation werden vom Eintritt bis zum Verlassen interdisziplinär begleitet.
  3. Open Educational Resources / Open Access
    Um heute einen nennenswerten (globalen) Impact erzeugen zu können, muss die Eintrittshürde so niedrig wie irgend möglich liegen. Inhalte und Materialien, die unter offenen Contentlizenzen frei im Internet verfügbar und für jeden verwendbar sind, erfüllen diese Voraussetzung am Besten. Leitfäden, Checklisten oder Prozesse in eine Pattern Design Language einzuordnen, liefert wertvolle zusätzliche Metadaten.  Innerhalb bestehender großer Organisationen entsteht der Zugang oft über bestimmte Rollen (z.B. über QM / ISO9001).
  4. Cogneon Akademie Everywhere
    Neben den im Netz verfügbaren freien Materialien und Inhalten gewinnen die damit verbundenen Orte immer mehr an Gewicht. In Anlehnung an die CCC Idee vom congress everywhere soll die Cogneon Akademie grundsätzlich an jedem Ort und zu jeder Zeit stattfinden können. So lassen sich Inhalte und Ideen überall – z.B. in anderen Akademien – über Displays, virtuelle Bibliotheken oder Pop Up Universities einbinden und sichtbar machen.

Auch wenn sich die Welt nicht allein mit Wissensmanagement retten lässt, so ist es dennoch ein zentraler Antrieb, um Wissen und Lernen als relevante Ressource für dieses Jahrhundert der modernen Wissenarbeit aus den kleinen isolierten Inseln zu befreien und mehr in die Breite bewegen – auch im volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Hinblick. So überträgt der Nobelpreisträger Josef Stiglitz die Idee mit creating learning societies konsequent weiter auf die gesellschaftliche Ebene.

Ein Weg, um der ständig steigenden Komplexität unserer Welt und dem damit verbundenen Wissen zu begegnen, ist eine sogenannte Knowledge Experience Design Pattern Language. Die ursprüngliche Idee zu Design Patterns stammt aus der Architektur, um wiederverwendbare Lösungen zu Gestaltungsproblemen nutzen zu können. Dieses Prinzip wurde schnell auf andere Disziplinen übertragen und wird wohl im Bereich der Informatik am häufigsten eingesetzt. In einem Folgebeitrag werden wir die Anwendung für Wissensmanagement genauer betrachten.

 


cogneon.de/knowtouch/
cogneon.de/…/15-jahre-cogneon/
wiki.cogneon.de/Cogneon_Akademie/
forum-gute-fuehrung.de/…/peter_kruse.pdf
cogneon.de/2016/12/23/management-20-podcast/folge26
github.com/cogneon/knowledge-experience-pattern-language-kxpl
youtube.com/london-school-of-economics-creating a learning society