Open First

„Wann immer du etwas Neues anfängst – baue keinen weiteren geschlossenen Garten, sondern stattdessen ein offenes Ökosystem, das unabhängige Dritte dazu einlädt, dieses für ihr eigenes Geschäft zu nutzen“. Dieser Pitch begleitet uns im Innovationsbeirat seit dem Entstehen und zeigt sich inzwischen in einem liebevoll gestalteten Manifest.

Open First als Denkrichtung

Ob als Denkrichtung oder als Kunstwerk – das Open First Manifest ist ein Spiegel für unsere Denkrichtung und unser Werteverständnis. Inspiriert von Bewegungen wie mobile first oder offline first ist unser open first der Appell, bei allem Neuen zuerst über einen offenen Weg nachzudenken.

 

open first

 

Die Offenheit steht dabei keinesfalls dafür, das eigene Domänenwissen ohne Not zu verschenken, sondern vielmehr für die Strategie, mithilfe von einem freien offenen Kern möglichst viele weitere Unterstützer, Partner und Mitbewerber zu finden, um gemeinsam ein deutlich relevanteres Angebot zu schaffen, als es für einen Einzelnen aus eigener Kraft möglich wäre.

Offenes Ökosystem statt Closed Shop

Die Zeiten, in denen proprietäre Anbieter der Welt ihren Willen aus reiner Marktmacht heraus aufzwängen konnten, sind schon lange vorbei. Selbst große Konsortien, die in die Richtung „gemeinsam sind wir stärker“ agieren, scheitern meistens daran, ihr Portfolio in die Welt zu bekommen, solange dies weiterhin klassisch per Push statt durch einen Pull stattfindet.

Ein funktionierender Pull stellt sich oft dann ein, wenn es ein offenes, transparentes Angebot gibt, das in seinem freien, offenen Kern einen echten Mehrwert liefert. Der dadurch kostenfreie Zugang legt die Eingangshürde so niedrig wie möglich. So kann sich jeder völlig unverbindlich einen Eindruck vom Angebot verschaffen und nach Belieben testen, ob es den Anforderungen oder Ansprüchen genügt, ohne dass zuerst eine Kaufentscheidung fallen muss.

Freemium Geschäftsmodell

Fällt diese Evaluierung positiv aus, dann hat der Interessent tatsächlich bereits viel mehr investiert – nämlich Zeit, Wissen und Energie, um das System aufzusetzen, zu testen und einzubinden.

Liefert es ihm nun mehr Nutzen, als er Aufwand damit hat, dann setzt der Pull ein, d.h. er wird von sich aus einen – inhaltlich motivierten – Kontakt zum Anbieter aufnehmen, da er weitere Funktionalität braucht, das System enger in sein vorhandenes Geschäft integrieren will oder Erfahrungen bzw. Verbesserungen zurückgeben möchte.

Der ganze wesentliche Unterschied zum klassischen Push liegt also darin, dass man sein Produkt Niemandem aktiv „verkaufen“ muss, sondern die Nachfrage ganz nebenläufig über den Einsatz und die Nutzung geschieht. Gleichzeitig erreicht man eine viel höhere Verbreitung und Durchdringung mit der freien Basis oder Community Edition.

Minimum Viable Product

Wie findet man nun aber zum richtigen Umfang für den frei verfügbaren Kern des Angebotes? In jedem Fall sollte eine ausgewogene Balance zwischen Geben und Nehmen im Mittelpunkt stehen. Einen praktikablen Anhaltspunkt gibt das Konzept Minimum Viable Product (MVP) der Lean Startup Denkrichtung.

Die Idee dahinter steht dafür, den potentiellen Nutzern und Kunden für ein Produkt ein Minimum an sinnvoller Funktionalität zu geben, so dass dieses ein spürbaren Mehrwert liefert. Alles was darunter liegt, wird keine Akzeptanz finden, da es keinen ausreichenden Nutzen liefert.

Weiterer Umfang darüber hinaus kann für eine schnelle Akzeptanz helfen, stellt aber meist deutlich erhöhten Aufwand in der Entwicklung dar und bedeutet damit auch verlorene Zeit im Hinblick auf den Time to Market Aspekt, also die Geschwindigkeit, um das Produkt auf den Markt zu bringen.

Wo genau der Sweet Spot für die Abgrenzung zwischen dem freien Kern und (kostenpflichtiger) Premiumfunktionen liegt ist die jeweilige unternehmerische Entscheidung.

Best Practice

Wie gut die gesamte Strategie greift, liegt an mehreren (weichen) Faktoren, die alle zu einem positiven Gesamteindruck beim Nutzer beitragen. Kurz zusammengefasst sind es wenigstens:

  • ein stimmiger und nutzbringender Funktionsumfang in der freien Variante
  • offene, inhaltsgetriebene Entwicklung der frei verfügbaren Basis
  • ein proaktives, unterstützendes Community Management
  • bewusste Dialogbereitschaft zu Nutzern und Anwendern
  • zeitgemässe Tool-Landschaft für den Entwicklungsprozess
  • souveränes Understatement bei den kostenpflichtige Premium Features

Charmante Praxisbeispiele, von denen man viel im Hinblick auf diese Faktoren anhand von Kommunikation, konsequenter Gestaltung oder Auftreten lernen kann, finden sich z.B. bei

  • Slack – where work happens
  • Mailchimp – send better email
  • Basecamp – make better business
  • Pocket – save it for later
  • Do – productive meetings

Diese Beispiele punkten bereits allein durch ihr Freemium Modell. Der kostenfreie Einstieg als SAAS Angebot zeigt gut nachvollziehbar, wie der Ton und die Ansprache gewählt werden und wo eine geschickte Abgrenzung zwischen dem kostenfreien Einstieg und dem kostenpflichtigen Premiumangebot liegen kann.

Noch einen Schritt weiter

Einen konsequenten Schritt weiter gehen Projekte, die nicht nur das Angebot für den Einstieg frei verfügbar machen, sondern konsequent ein durch und durch offenes Ökosystem schaffen, an dem sich auch unabhängige Dritte aktiv beteiligen können.

Dabei muss es sich nicht immer um vollständig offene Systeme handeln, auch offene Programmierschnittstellen (APIs) können den freien Zugang ermöglichen. Bekannte Kandidaten sind z.B.:

  • Twitter (als Querschnittstechnologie in den ersten Jahren, als die API noch konsequent offen war)
  • App.net (wegweisende Architektur und Geschäftsmodell, leider ohne entsprechenden Erfolg)
  • WordPress (komplett frei nutzbar, ergänzt durch einen optionalen kommerziellen Hosting Dienst)
  • Wikiversity (OER unter offener Lizenz für Mashups, Erweiterungen oder eigene Entwicklungen)

Den größten Einfluß hat allen voran das Linux Betriebssystem, das in all seinen Ausprägungen fast jede Hardware dieser Welt unterstützt und längst bis in die letzte Ritze unseres Alltags vorgedrungen ist. Wirtschaftlich motiviert ist dessen Verwendung aufgrund der entfallenden Lizenzzahlungen aber auch die enorm vielfältige Entwickler Community sowie die hohe Innovationsgeschwindigkeit sind ganz wesentliche Vorteile des freien Betriebssystems.

 


innovationsbeirat.de/open-first/
innovationsbeirat.de/tag/open-first/
innovationsbeirat.de/tag/minimum-viable-product/
entresol.de/inspire-your-business/the-art-of-open/
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dirkriehle.com/publications/…/the-commercial-open-source-business-model/