Das Startup Weekend Nürnberg 2010 – eine erste Bilanz
Das Ende vorweg – es gab keine einzige Gründung beim Startup Weekend Nürnberg 2010. Unseren Notar, Dr. Michael El-Gayar, schicken wir gleich zu Beginn der Abschlußpräsentationen wieder zurück in seinen wohlverdienten Sonntag Abend. Warum sind wir trotzdem so angenehm überrascht von diesem Ausgang?
Freitag
Am Besten von vorne: Der Freitag beginnt für zwei Teams diesmal bereits am Morgen um 9 Uhr. Das Netzwerk Nordbayern hat als Warmup für alle SWN Teilnehmer ein Tagesseminar zur professionellen Businessplan-Erstellung angeboten. Ein idealer Einstieg, bei dem die Teilnehmer bereits zwei fortgeschrittene Geschäftsideen mitbringen und den Tag anhand dieser beiden Ideen gestalten anstatt sich an trockenen, theoretischen Beispielen zu orientieren.
Der Aufbau findet ab Mittag parallel dazu statt und schon früh ist absehbar, dass das Event wieder eine ganz besondere Atmosphäre erhalten wird. Es sind wie im letzten Jahr knapp 120 Teilnehmer angemeldet und viele davon treffen pünktlich ab 18 Uhr im Südwestpark Nürnberg ein. Wir verwickeln sie gleich in die ersten Ideengespräche an der „Ideawall“.
Bis 21 Uhr wird quergedacht und visioniert, dann ist die Bühne frei für einen kurzen Rückblick auf das letzte Jahr. Die für eine Unkonferenz typische Vorstellungsrunde mit Vornamen und zwei Tags pro Teilnehmer hat allen in fünf Minuten einen ersten Eindruck vermittelt, welche Themen, Expertisen und Schwerpunkte vertreten sind. Knapp ein Viertel der Anwesenden ist Wiederholungstäter, die anderen sind zum ersten Mal dabei.
Die Schwerpunkte beim anschliessenden Pitching sind vielfältig, aber auch klar IT- und Web-affin. Die Ideen ordnen sich rund um Kernthemen ein, wie z.B. Gesundheit, Social Entrepreneurship, Karma, Charity, Location Based Services, Gaming, Edutainment, Wikipedia, Wissensmanagement, Communities, Industrial, Recreation und Outdoor Activities. Im Vergleich zum letzten Jahr gibt es diesmal eine ganze Reihe von bereits recht fortgeschrittenen und ausgereiften Ideen. Vermutlich nicht zuletzt da den besten Teams ein Pitching bei HackFwd, der Frühphasen-Finanzierungsgesellschaft von Lars Hinrichs winkt – und damit die Chance auf eine Pre-Seed-Finanzierung für ein ganzes Jahr.
Auf dem kurzen Weg zur Socializing Party bieten wir an, Bilder von den Teilnehmern zu machen. Diese können von jedem unmittelbar um den Namen, die Tags, Twitter-Account und das Team ergänzen werden. Das erleichtert uns die Vernetzung untereinander deutlich. Die nächsten Stunden erleben wir ausgelassen und angeregt bei Live DJ Beats und intensiven Gesprächen rund um die vorgestellten Ideen. Entsprechend kurz wird die Nacht – vor allem für die Organisatoren, die vor Ort bleiben. Die letzten geben erst um 5 Uhr auf.
Samstag
Bereits beim Frühstück sind die ersten Teams intensiv in die Ausarbeitung vertieft und die verfügbaren Seminarräume füllen sich schnell. Nach dem zweiten Vorstellen der Ideen werden alle verfügbaren 12 Räume im Fashion Forum komplett belegt sein, teilweise mit bis zu vier Teams – damit hätte noch einen Tag zuvor wirklich Niemand gerechnet. Um 10 Uhr starten wir in die zweite Pitchingrunde. Was hat sich im Vergleich zum Freitag Abend verändert, welche Ideen sind weiterentwickelt, welche Ideen scheiden bereits aus dem Rennen aus?
Wieder werden gut zwanzig Geschäftsideen vorgestellt, diesmal wandert jede davon auf ein Flipchart, die über die Glasflächen des weitläufigen „Multimedia“-Raums verteilt werden. Nun beginnt die Gruppenfindung und wir entfernen Stück um Stück die Ideen, zu denen sich nicht ausreichend viele Mitstreiter finden.
Unserer zuvor abgestimmten Untergrenze von mindestens 5 Mitgliedern pro Gruppe wird jedoch erfolgreich getrotzt – einige der kleineren Teams sind auch mit nur vier Mitstreitern fest davon überzeugt in dieser Konstellation bis Sonntag Abend durchzuhalten. Wir lassen uns überzeugen (und einige Gruppen werden Recht behalten). Das Resultat sind mehr als ein Dutzend Gruppen, die in die Ausarbeitung ihrer Ideen starten. Ein neuer Rekord für ein europäisches Startup Weekend.
Diesmal versorgen wir alle Gruppen mit dem Business Model Canvas im Din A1 Format sowie einem Leitfaden für das zugrundeliegende Modell, ausserdem gibt es ein halbes Dutzend Exemplare vom Business Model Generation Buch, das über den Canvas hinaus alles liefert, was man braucht, um Muster in Geschäftsmodellen zu erkennen, diese zu neu zu entwickeln und strategisch einzusetzen.
Das strukturierte und visualisierte Herangehen an das Geschäftsmodell als Herz eines Unternehmens zeigt seine Wirkung. Die Teams beginnen eine gemeinsame Landkarte von ihrer Idee zu entwickeln, erkennen die Lücken in ihrem Geschäftsmodell und entwickeln nach und nach ein Gespür für die Faktoren einer erfolgreichen Umsetzbarkeit.
Es werden die Wertschöpfung, die verschiedenen Zielgruppen und mögliche Partner analysiert. Diese werden ergänzt um das richtige Kundenbeziehungsmanagement, die Vertriebs- und Kommunikationskanäle sowie die Kernaktivitäten und -ressourcen. Darunter liegen Kostenstruktur und Einnahmequellen.
Am Abend gibt es Gelegenheit den aktuellen Stand der Gruppe kurz vorzustellen und Feedback einzuholen. Die Gruppen haben sichtlich Fahrt aufgenommen und geben Gas – die Halbzeit ist bereits erreicht.
Sonntag
Die zweite Nacht fällt etwas länger aus und die vom Special Event Service bereitgestellten Sitzelemente von Lümmel haben einmal mehr bewiesen, wie universell sie sich verwenden lassen. Die Black Pirate Coffee Crew macht am Morgen allen Beine und auch heute sitzen die meisten Teams trotz Schlafmangel schon wieder früh zusammen. Die Gruppen werden jetzt mit dem Handbuch zur Businessplan-Erstellung versorgt, das den fehlenden „Glue“ rund um das Geschäftsmodell im Zentrum liefert – Produkt/Dienstleistung, Markt & Wettbewerb, Chancen und Risken, Organisation sowie Finanzierung.
Das geplante Coaching Angebot für die Gruppen fällt deutlich knapper aus als erhofft – es sind einfach zu viele Teams. Wir bekommen irgendwann fast den Eindruck, dass für jedes Team, das aufgibt zwei neue entstehen, die mit komplett frischem Elan antreten. Am Ende stehen wir der Reihe nach bei 15(!) Teams im Zimmer und fragen ab, welche Gruppen am Abend notariell gründen wollen, um die Beratung für die Unternehmensform und rechtlichen Rahmenbedingungen planen zu können.
Wir sind erstaunlich schnell durch mit dieser Runde – keines der Teams fühlt sich heute schon bereit dafür. Unsere vorbereitete Strategie, die Teams wenn nötig in ihrem Gründungselan zu bremsen, läuft praktisch ins Leere. Eigentlich wollten wir sicherstellen, dass Niemand in der Rolle eines GmbH Geschäftsführers landet, ohne dass ihm die Verantwortung und Pflichten wirklich in ganzem Umfang bewusst sind.
Stattdessen gibt es in vielen Fällen schon konkrete Planungen für die spätere Gründung (der 1.1.2011 scheint eine besondere Anziehungskraft zu besitzen). Mit diesem Ausgang sind wir rundum zufrieden, da die Teams verstanden haben, dass der Transfer in den Alltag entscheidend ist. Werden das Team und die Idee Bestand haben, auch wenn das Tagesgeschäft wieder Oberhand gewinnt und die Mitgründer über das ganze Land verstreut sind? Ist das Geschäftsmodell ausgereift, ist eine schnelle Umsetzbarkeit wirklich gegeben, ist der Kundennutzen stark genug?
Es ist natürlich möglich all diese Aspekte auch aus der am Sonntag gegründeten UG & Co. KG heraus zu lösen, das haben unsere Teams vom letzten Jahr gezeigt. Die „Nachgründung“ zu einem späteren Zeitpunkt scheint trotzdem in vieler Hinsicht eine wirklich überlegenswerte Alternative zu sein. Zumal wir auch eine spätere Gründung nach Möglichkeit noch unterstützen wollen.
So befinden wir uns auf einmal bereits mitten in den Abschlußpräsentationen – 15 Teams mit je eisern eingehaltenen 3 Minuten Pitching Time. Der Lift wäre kaum schneller nach oben und wieder zurückgefahren – nur würden wir beim besten Willen keine 80 Zuhörer in diesen echten „Elevator Pitch“ bekommen.
Beim letzten Pitch ist unser Notar schon wieder auf dem Heimweg und es kristallisieren sich fünf Teams für das Pitching bei HackFwd heraus: gofundit.org – your local impact, dizzlike – das antisocial network, e-petitionen.de – ändere die Welt, heute!, ComponentFinder – das myhammer für die Industrie und die Startup Kids – Fragen und Antworten von Kindern für Kinder. Alle fünf stehen gerade erst am Anfang ihrer Reise, bis Ende der Woche muss das Executive Summary für HackFwd stehen.
Am Tag danach
Der Montagmorgen fühlt sich bei manchen an wie nach drei Monaten im Ausland – völlig ausgepowered aber auch mit unendlich viel neuer positiver Energie erfüllt. Das wahre Ziel des Startup Weekend!