Apple iCloud: sonnige Lösung aller Synchronisations-Probleme oder dunkle Vendor-Lock-In Wolke?

Seit der WWDC Keynote in dieser Woche scheinen die Gerüchte um die massiven Rechenzentrums-Kapazitäten von Apple bestätigt. Steve Jobs kündigte auf der diesjährigen weltweiten Entwicklerkonferenz zusammen mit der nächsten Betriebssystemgeneration „Mac OS Lion“ auch den eng damit verzahnten Service „iCloud“ an.

Packt Apple es richtig an, dann könnte iCloud bis in die letzten Ritzen des Betriebssystems sowie in alle Applikationen vordringen, die sich die verlockenden Möglichkeiten zunutze machen wollen. Damit würde Apple einen wesentlichen Schritt unternehmen, um noch weiter von bisherigen Dateisystemen zu abstrahieren und die Nutzerdaten stattdessen aus ihrem lokalen Kontext heraus in die Wolke der eigenen Rechenzentren hineinzuverlagern. Das gab es bereits im kleinen Stil als „.mac“ bzw. anschliessend als „mobile.me“ Dienst, der vor allem Passwörter, Bookmarks und Informationen wie z.B. Kalendereinträge zwischen verschiedenen Endgeräten verteilt und synchron gehalten hat.

Was nun angekündigt ist, könnte jedoch eine völlig neue Qualität und Impact erreichen. Aus Nutzersicht wäre es auf den ersten Blick der reinste Segen – man muss sich keine Gedanken mehr machen, mit welchem Gerät man gerade arbeitet oder wo man zuletzt Änderungen an einem bestimmten Dokument vorgenommen hat. iCloud verteilt Informationen, Einstellungen, Dokumente, Bilder, Bücher oder Musik wie von Geisterhand vollständig über alle Geräte eines Benutzers anhand seiner Apple-ID – vom iPhone über das iPad, Macbook oder iMac. Egal ob man sich Zuhause, im Büro oder unterwegs befindet. Immer wird man die gleiche Sicht auf seine Daten haben und sich recht schnell nie wieder den Kopf darüber zerbrechen, wie man seine bisher verteilten Daten und Dokument-Revisionen mühsam synchron hält.

Denn es werden nicht nur die Daten vollautomatisch über alle Geräte synchronisiert, zu jeder Information wird es auch die Möglichkeit der „Zeitreise“ mithilfe des bisher nur für das Backup verwendeten timemachine-Mechanismus geben. Dieser erlaubt es, wie im Zeitraffer über ältere Versionen eines Dokuments zu reisen und diese bei Bedarf mit einem Klick wiederherzustellen. Technologisch ist all dies schon lange möglich, in dieser innovativen Konsequenz über das gesamte Betriebssystem hinweg und für alle Anwendungen nutzbar ist es jedoch bahnbrechend. Eine Symbiose aus fast allen bisher bekannten Cloudservices wie iSync, Dropbox, Gamecenter oder Google Docs mit Null-Konfigurationsaufwand und spielerisch einfach anwendbar.

Die Nutzer werden diesen hohen Komfort schnell lieben und sich vermutlich innerhalb von kürzester Zeit ein Leben ohne iCloud nicht mehr vorstellen können. So wie heute schon eine Welt ohne Online Cloudservices undenkbar geworden ist. Apple wird seine Mitbewerber ein weiteres Mal ratlos im Staub stehen lassen und auch in der Open Source Welt zeichnet sich kein vergleichbar umfassendes Konzept ab, das mithilfe einer echten „Open Cloud“ ein Gleichgewicht und eine Alternative zu iCloud bieten könnte. Gerade das wäre aber essentiell wichtig, um den im Titel dieses Beitrags drohenden „Vendor-Lock-In“ zu addressieren.

Der Nutzer zahlt einen hohen Preis für den Komfortgewinn – es wird kaum einen praktikablen Weg für die Abhängigkeit von den dort eingesperrten Nutzerdaten fort aus der iCloud geben, wenn diese erst einmal umfangreich angelegt sind und genutzt werden. Einzig der Weg verbleibt, dem dann liebgewonnen Service komplett den Rücken zu kehren und alle eigenen Daten aufwändig von Hand (sofern überhaupt möglich) aus jeder einzelnen Applikation zu exportieren, um sie anschliessend auf eine alternative Plattform zu migrieren. Willkommen zurück in den längst vergessenen Zeiten von Dateien, Versionen und nicht integrierten Einzelgeräten – zurück in der Steinzeit des Informationszeitalters. Diesen Schmerz wird kaum Jemand ohne Not auf sich nehmen wollen.