Palomar 5 revisited

Die 30 smartesten Köpfe der Welt unter 30 handverlesen auf einem Camp für 6 Wochen. Um gemeinsam die Zukunft der Arbeit zu ergründen. Format, Anspruch und Ergebnis dieses Abenteuers waren in vieler Hinsicht mehr als eine Sternstunde.

Ein Camp über sechs Wochen. Allein die Vorstellung davon war – gerade mal zwei Jahre nach den weltweit ersten Barcamps – richtungsweisend. Wir staunen heute noch, welche Ergebnisse ein Camp allein an einem Wochenende – in 48 Stunden – liefern kann. Welche Tiefe und Intensität stellt sich dann in über 1000 Stunden ein?

30 smarte Köpfe unter 30

Aus siebzehn verschiedenen Nationen kamen die Teilnehmer in eine alte Industriehalle in den Berliner Süden. Um dort gemeinsam ihre Thesen zu The Future of Work aufzustellen und auszuarbeiten. Die handverlesene Auswahl wollte eine hohe Diversität über verschiedenste Fachbereiche und Kulturen erzielen.

 

30 smarte Köpfe aus aller Welt unter 30 gestalten gemeinsam innovationskultur

 

Die junge Truppe sollte spiegeln, wie sie ihre Arbeitswelt sieht und gestalten möchte. Welche Kultur sich in den gemeinsamen Wochen miteinander einstellt. Welche Werte für eine selbstentwickelte New Work Umgebung grundlegend sind. Geprägt von Sinnhaftigkeit, Autonomie und Motivation.

Das Undenkbare denken

Die Atmosphäre sollte gezielt unterstützen, sich aus gängigen Denkmustern zu lösen und Dinge völlig frei auf der grünen Wiese neu anzugehen. Ein wesentliches Element dabei ist das schnelle Bauen von Prototypen.

Damit lassen sich Konzepte früh testen statt lange darüber zu reden. Am Ende finden sich neue Wege, um das auf den ersten Blick Nicht-Machbare in kleinen Schritten letztlich doch zu lösen.

Die Teams haben sich über die Ideen gefunden. Jede eingebrachte Idee musste zuerst weitere Mitstreiter überzeugen. Sie schließen sich dann aus eigener Überzeugung der Umsetzung an.

Raum, Infrastruktur und Verpflegung

Eine goldene Grundregel für alle selbstorganisierten Formate liegt darin, dass der Veranstalter sich allein auf drei Aspekte konzentriert: Er stellt den Raum, die Infrastruktur und die Versorgung der Teilnehmer bereit. Alles weitere wird von den Teilnehmern selbst gestaltet – so, wie sie es für richtig halten, in ihrer eigenen Geschwindigkeit und im wirklich benötigten Umfang.

Konzernstruktur trifft Campkultur

Auch wenn die Deutsche Telekom als Partner die Kosten für das Innovationscamp trägt, so bleibt sie dennoch bewusst die ganze Zeit über dezent im Hintergrund. Im Mittelpunkt stehen allein die Aufgabenstellung und das Team, das sie lösen will.

Für den Konzern sind viele Facetten ausgesprochen wertvoll von dem was auf dem Camp passiert:

  • Prozessinnovationen (Selbstorganisation, Wissensaustausch, Motivation, Kreativität)
  • Produktinnovationen (Creative Commons als Basis, dennoch direkter Zugriff auf die Ideen)
  • Kommunikation (Medienresonanz, Reichweite, Blick von innen und von außen)
  • Talente (intensiver persönlicher Zugang zu einer Zielgruppe die sonst nicht erreichbar wäre)

Sehr früh im Vorfeld wurde klar angesprochen, dass es kein Magenta Puppenspiel mit Millennials wird. Vielmehr ein komplett eigenständiges Event, bei dem sich alle Beteiligten von Anfang an auf Augenhöhe begegnen.

Handverlesen

Die einzelnen Teilnehmer sollten nicht nur ein möglichst hohes Maß an Vielfalt und Diversität mitbringen. Sie mussten gleichzeitig auch eine hohe Verantwortung für sich und das Event übernehmen. Während das Veranstalterteam in den ersten Tagen bewusst noch engere Leitplanken gesetzt hatte, wurde das Camp nach der Eingewöhnungsphase komplett an die Teilnehmer übergeben.

Gemeinsam hatte man zu Beginn gemeinsam einen Code of Conduct vereinbart, der das Zusammenleben regelt. Er war im Folgenden das Grundgerüst für das gesamte Camp.

Dort war ebenso festgehalten, aufeinander gegenseitig acht zu geben und für einander da zu sein wie auch Wissen und Ideen offen zu teilen (sharing & caring).

Take Away

Ein derart intensives Zusammenleben und -arbeiten über diesen langen Zeitraum lieferte viele tiefe Einsichten. Besonders spannend war die Dynamik, die sich in den Teams im Hinblick auf Führung und Interaktion entwickelte. Meritokratie, die Basis für hunderttausende Open Source und Community Projekte, stellte sich auch hier früh ein.

Rollen wurden innerhalb vom Team aufgrund von Können vergeben und wechselten sich genauso schnell wieder ab, wie sich Anforderungen oder Konstellationen änderten.

Eine klassisch nicht erwartete Rolle fiel den Schmetterlingen zu. Denjenigen Teilnehmern, die sich nicht auf ein bestimmtes Team festlegen wollten, sondern laufend zwischen den Gruppen wechselten. Und diese damit ganz nebenläufig durch immer neue Impulse und Quergedanken befruchten konnten.

Die Architektur einer kompletten Lebens- und Arbeitswelt auf 2000 qm

Interessant war das Herangehen an Dinge und Ideen, die sich festgefahren hatten oder nicht mehr weiterverfolgt wurden. Statt dem Klammern an Ideen stand trial & error im Vordergrund. Aber anstatt die bis dahin geleistete Arbeit einfach nur zu Verwerfen wurde das Ideengrab einberufen.

Dort gab es sowohl Wertschätzung für die investierte Energie der Beteiligten als auch wurde die bis dahin geschaffene Basis erhalten. So konnten später gezielt Teile davon reaktiviert und noch einmal genutzt werden.

Krönender Abschluss und tiefe Ernüchterung

Als Höhepunkt der vergangenen sechs Wochen wurden den 300 geladenen Gästen aus Industrie, Politik, Wissenschaft und Medien beim Summit über einen ganzen Konferenztag hinweg alle Ergebnisse im Detail präsentiert. Der Telekom Vorstand zeigt sich beeindruckt und zusammen mit geladenen Rednern wurde intensiv über Millennials und Innovation diskutiert.

Beim Abschlussfestival wurden dann die Türen für die Öffentlichkeit geöffnet und alle Anspannung der vergangenen Wochen löste sich.

Das eindrucksvollste Learning aus dem gesamten Experiment offenbarte sich aber erst am Morgen danach. Alles was während des Camps erarbeitet wurde prallte in den folgenden Tagen und Wochen vollständig an der Telekom ab.

Die Organisation war schlicht nicht darauf vorbereitet, auch nur kleinste Ergebnisse aus dem Innovationscamp in den operativen Alltag transportieren zu können.

So bleibt am Ende der Rückblick auf ein faszinierendes Experiment. Ein intensives Format das seinesgleichen sucht. Mutiger Pioniergeist zu einer Zeit als selbst Barcamps noch Exoten waren. Und eine Erfahrung, die sich wohl am Besten mit Der Weg ist das Ziel beschreiben lässt. Danke @Jonathan!

 


http://thiswaspalomar5.org/
http://zeit.de/2009/51/C-Palomar/
https://medium.com/@derjonathan/das-1000-stunden-innovationscamp-palomar5
http://faz.net/aktuell/beruf-chance/arbeitswelt/palomar-5-die-hippies-aus-dem-ideenhaus
http://springerprofessional.de/…/1000-stunden-innovationscamp-palomar5-millennials-bauen-neue-arbeitswelt