What’s next: Der Wertekonflikt Internet

In seinem herausragenden Vortrag „What’s next: Wie die Netzwerke Wirtschaft und Gesellschaft revolutionieren“ betrachtet Prof. Dr. Peter Kruse  auf der Re:publica 2010 den grundlegenden Wertekonflikt beim Umgang mit dem Internet.

Die Chancen und Risiken des Internet werden oft sehr schwarz/weiss diskutiert: Entweder überwiegen deutlich die Bedenken, Berührungsängste und mögliche Gefahren oder es stehen die Chancen, Weiterentwicklungen und Möglichkeiten im Zentrum. Dazwischen findet sich meist nur wenig und Peter Kruse arbeitet die Faktoren heraus, warum das Netz unsere Gesellschaft so polarisiert.

Aus seiner stark psychologisch und systemtheoretisch geprägten Perspektive analysiert er das Thema im Hinblick auf kollektive Intelligenz. In den Medien wird die Internetbewertung zunehmend als Glaubensfrage gehandelt. Dabei scheint es sich weit weniger um eine konstruktive inhaltliche Diskussion als viel mehr um eine Debatte auf Basis von unterschiedlichen Werten zu handeln.

Darauf gründet er seine 1. Hypothese: „Die Schärfe des Disputes pro und contra Internet ist Indikator für die Existenz unzureichend reflektierter Wertedifferenzen“. Eine konstruktive Auseinandersetzung ist jedoch nur auf Basis von Fakten zielführends – jeder Streit um Werte wird kein „wahr“ oder „falsch“ liefern sondern in unproduktiven Diskussionen enden.

Anhand eines kurzen Filmbeispiels, das aus drei verschiedenen Blickwinkeln abläuft, zeigt Peter Kruse wie schnell der Mensch intuitiv seine individuellen Wertvorstellungen darauf anwendet, obwohl es sich objektiv dreimal um die selbe Szene handelt: Flucht, Bedrohung und Hilfeleistung.

Diese kulturellen Wertewelten werden von kollektiver Intuition gebildet und lassen sich nicht direkt messen. Stattdessen wurden die Profile von 200 intensiven Internetnutzern im Hinblick auf die (unbewusst angewendeten) Wertemuster wissenschaftlich ausgewertet. Diese nehmen nach ihren Werten erstaunlicherweise zwei unterschiedliche Cluster ein – trotz der Gemeinsamkeit das Internet intensiv zu nutzen.

Verdichtet man die beiden Welten thematisch, dann zeigen sich die grundlegend unterschiedlichen Positionen:

  • 1. Perspektivei (sog. „digital visitors“): Präferenz zu verlässlichen Informationen und Beziehungen statt Überforderung und Oberflächlichkeit.Hier stehen Begriffe im Vordergrund wie: Datenschutz, Qualitätssicherung, geprüfte Richtigkeit, fundierte Analyse, stabile Beziehung, Transparenz, Entschleunigung, Verlässlichkeit, Vertrauen aufbauen oder Muster verstehen.
  • 2. Perspektive (sog. „digital residents“): Fokus auf dem Verstehen und aktivem Mitgestalten von Dynamik statt Intransparenz und Bevormundung.Hier wurden Eigenschaften genannt wie: inspirierende Vielfalt, Dynamik gestalten und erleben, Authentizität, Reputation pflegen, kollektive Intelligenz, den Long Tail nutzen, Creative Commons oder die Virtualität geniessen.

Beide Gruppen erleben das Netz im Dynamikbereich gemeinsam. Die Digital Visitors legen jedoch ihren persönlichen Bereich weit weg davon, während die Digital Residents dort auch ihren Lebensmittelpunkt sehen und mit ihrer eigenen Identität dort einziehen. Es wird also das gleiche Objekt betrachtet und faktisch auch gleich eingeschätzt, aber grundlegend unterschiedliche Wertmaßstäbe daran angelegt. Dies aber erklärt nun warum die Diskussion dort so unproduktiv und von Konflikten geprägt ist, da hier kein echter Austausch und Dialog stattfindet.