Nachhaltige Finanzierungsmodelle für Open Educational Resources

Die zweite Ausgabe der Open Educational Resources (OER) Konferenz von Wikimedia Deutschland unter der Schirmherrschaft der deutschen UNESCO Kommission am 12. und 13. September in Berlin stand erneut ganz im Zeichen der Zukunft von freien Bildungsmaterialien. In einem eigenen Panel wollten wir mit der Technologiestiftung Berlin herausfinden, welche Modelle zur nachhaltigen Finanzierung von OER Materialien denkbar sind und was sich dabei möglicherweise mit dem Seitenblick auf Open Source ableiten lässt.

Wieviel Aufmerksamkeit das Thema OER inzwischen erhält, zeigt sich allein schon an den einführenden Worten von Thomas Krüger, dem Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung und Dr. Verena Metze-Mangold, der Vizepräsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission, die beide sehr lebhaft über die Fortschritte und Aussichten von OER aus Sicht ihrer Organisationen berichteten.

 

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Von den gut 500 Teilnehmern waren viele aktiv involviert, indem sie im Unkonferenzteil eigene Sessions beisteuerten und damit den klassischen Konferenzteil mit gut 40 Vorträgen noch einmal um die gleiche Anzahl an selbstorganisierten Themen ergänzten.

Gelungene Mischung aus klassischer Konferenz und Barcamp

In einem eigenen Track parallel zum OER Barcamp haben wir uns auf Initiative der Technologiestiftung Berlin die Frage nach denkbaren Geschäftsmodellen für OER gewidmet. Als Grundlage wurde die besonders gelungene Methodik des Business Model Canvas vorgestellt. Diese erlaubt es, ein Geschäftsmodell übersichtlich zu strukturieren und auf einen Blick zu visualisieren. Nach dieser Einführung in Form von „Frontalunterricht“ konnten dann auch die Teilnehmer des Panels in zwei weiteren Sessions ihre eigenen Blickwinkel und Erfahrungen mit Finanzierungsmöglichkeiten von OER diskutieren.

Hier zeigte sich schnell, dass sehr unterschiedliche Denkweisen und Welten aufeinander treffen. Zum einen gab es den Appell an die Politik und den Staat, das Erstellen von freien Bildungsmaterialien zu fördern oder dass zumindest die bereits von Steuergeldern bezahlten OER der Allgemeinheit frei zur Verfügung stehen sollten. Hier zeigt ein Blick nach Grossbritannien, Schweden oder Polen, dass dies in anderen Ländern bereits erfolgreich begonnen oder umgesetzt wird.

Was OER von Open Source lernen kann

Zum anderen fiel der Blick auf andere Bereiche wie z.B. Open Source, um zu sehen, welche Modelle sich möglicherweise auf den Open Education Bereich übertragen lassen. Anfangs kamen dort die meisten Beiträge von privaten Enthusiasten, deren Motivation vor allem darin liegt, in dem was sie tun besser zu werden (Excellence), ihren guten Ruf zu pflegen (Reputation) und einen Sinn zu verfolgen, mit dem was sie tun (Purpose).

Mittlerweile haben viele Unternehmen Open Source zwar nicht wegen ihrer Liebe zu freier Software aber aufgrund von vielfältigen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen entdeckt. So kommt heute ein wesentlicher Anteil an allen Open Source Beiträge von Entwicklern, die von ihrem Unternehmen dafür bezahlt oder freigestellt werden.

Neben der reinen wirtschaftlichen Betrachtung kommt ein weiterer Aspekt hinzu, der sich für OER ähnlich entwickeln dürfte. Open Source kann ein ganz wesentliches Image- und Marketinginstrument darstellen. Denn bei Open Source entscheidet man sich nicht für die Katze im Sack oder liefert sich einer proprietären Blackbox aus, sondern kann das System unverbindlich vorab evaluieren oder auch testweise in Betrieb nehmen.

Weder Katze im Sack noch proprietäre Blackbox

Stellt sich dann heraus, dass das Open Source Angebot die Anforderungen und Erwartungen im wesentlichen erfüllt, so greift ein entscheidender Mechanismus: zum jetzigen Zeitpunkt hat man bereits ein erhebliches Investment in Form von Zeit und Energie aufgebracht.

Zur endgültigen Entscheidung für das Angebot ist es somit nur noch ein vergleichsweise kleiner Schritt und kostenpflichtige Ergänzungen, die notwendige zusätzliche Anforderungen abdecken werden dann gerne dazugenommen. Dieses Vorgehen scheint auch bei OER ein denkbarer Weg zu sein – über kostenfreie OER Materialien erhält man die nötige Sichtbarkeit und nutzt sie als Türöffner zum potentiellen Kunden.

Dieser kann über das freie OER Angebot Vertrauen aufbauen und zukünftige Wünsche nach darauf aufbauenden Angeboten können kostenpflichtig nachgereicht werden. Alternativ sind sämtliche Materialien kostenfrei und man bietet gezielt Dienstleistungen als Ergänzung z.B. über ein monatliches Abo an.

Hier schafft OER per se ein offenes Ökosystem, d.h. auch andere Anbieter können sich hier mit ergänzenden Services einbringen und damit die freie OER Basis verstärken. Auf diese Weise lässt sich gemeinsam mit weiteren Partnern mehr erreichen und es stellt sich eine höhere Innovationsgeschwindigkeit für die einzelnen Bereiche ein. Statt dem bisherigen Konkurrenzdruck bei einer reinen Absicherung der eigenen wirtschaftlichen Interessen über proprietäre Produkte kann hier ein positiver partnerschaftlicher Wettbewerb entstehen, der sich ergänzt und in der jeweiligen Nische des einzelnen Anbieters zu Spitzenleistungen führt.

Nachhaltige Finanzierungsmodelle für Open Educational Resources

Zu kurz kamen in der intensiven Diskussion Impulse für neue Herangehensweisen. Wechselt man die Sicht von „Wer soll gewünschtes OER Material bezahlen“ zu „Welches OER Material wird heute bereits von Communities entwickelt“, so zeigen sich alternative Wege.

So finden sich schnell Projekte wie die Khan Academy, CoderDojo, AppCamps oder Codeacademy. Die Idee, schon Schüler und Jugendliche früh zum Programmieren zu bringen, bietet einen weiteren Reiz für Unternehmen, um diese Projekte finanziell und mit Ressourcen zu unterstützen – hier entsteht hochkarätiger Nachwuchs, zu dem man auf diesem Weg früh Kontakte und Bindung aufbauen kann.

Egal, ob es sich um IT, Technologie oder allgemeine Themen handelt – um viele dieser Projekte herum haben sich funktionierende Unternehmen gebildet, die auf den jeweiligen Bereich spezialisiert sind und sinnvolle zusätzliche Leistungen gegen Bezahlung anbieten.

Blickt man wieder zu Open Source, so stellt man fest, dass für die zwar auf den ersten Blick (kosten)freie Software von Anbeginn an ganz deutlich herausgestellt wurde, dass die freien Lizenzen nicht im Widerspruch zur kommerziellen Nutzung stehen, sondern ganz im Gegenteil darauf aufbauende Angebote ausgesprochen erwünscht sind – vor allem auch, um einen Beitrag für die Weiterentwicklung der freien Software zu liefern.

Massive Open Online Courses

Auch wenn die Inhalte und Materialien der meisten MOOCs nicht wirklich offen sind, d.h. frei geändert, erweitert oder weiterverwendet werden dürfen, so öffnen diese dennoch für eine bunte Vielfalt an Themen den Zugang zum Wissen von Universitäten auf der ganzen Welt. Fast alle Elite Unis haben inzwischen entsprechende Online Kurse im Angebot und nutzen diese als Marketinginstrument, um Sichtbarkeit und Wahrnehmung zu erreichen.

Gleichzeitig zeichnet sich ein neues Geschäftsmodell hinter den MOOCs. Die Einnahmen werden nicht mehr über die Studiengebühren erzielt – um an einem MOOC teilzunehmen muss man weder an der jeweiligen Universität eingeschrieben sein noch dort einen Abschluss machen. Bisher ist die Teilnahme an den MOOCs in den meisten Fällen kostenfrei.

Das Ausstellen eines Zertifikats bei erfolgreichem Bestehen des Kurses könnte jedoch in Zukunft eine Gebühr, z.B. $99, erfordern. Bei vielen tausend bis teilweise sogar hunderttausenden Teilnehmern an einem Kurs könnte dies durchaus gut die Kosten für die Erstellung und Durchführung  von MOOCs decken oder sogar die bisherigen Geschäftsmodelle der Universitäten wesentlich verändern.

Für die Plattformen, welche die Kurse bereitstellen, geht es darum sich frühzeitig in einem neu entstehenden Markt zu positionieren. Unter einer Vielzahl an kommerziellen Anbietern wie z.B. Coursera, Stanford Online oder Udacity gibt es auch wirklich offene und non-profit Lösungen wie z.B. edX.org , Iversity.org und das Wikiversity Projekt.

Fazit

Die Veränderungen, die mit Open Education und dem OER Bereich einhergehen, sind enorm. Gleichzeitig suchen sowohl Idealisten, Organisationen als auch Unternehmen ihren Platz in dem entstehenden Marktplatz und verfolgen mit unterschiedlichen Motiven das Ziel, Bildungsmaterialien offen zu gestalten und gemeinsam weiterzuentwickeln.

Dabei lauern im Hintergrund bereits die großen neuen Weltkonzerne wie Google oder Apple, die in der Lage sind, diesen Markt schnell zu dominieren und für die eigenen Zwecke zu nutzen. Google Learning oder Apple iTunes U stehen längst am Start. Ob junge Startups hier dennoch die Chancen schneller zu nutzen scheint momentan noch völlig offen. In jedem Fall scheint es höchste Zeit sich intensiv damit auseinanderzusetzen, wenn man hier mitspielen möchte.

Gerne begleiten wir hier gemeinsam mit unseren Partnern beim Entwurf von neuen Geschäftsmodellen und deren Umsetzung.


de.serlo.org/blog/

slideshare.net/txtbks/oerde14-keynote/

netzpolitik.org/2014/oerde14-wikimedia-konferenz-zur-zukunft-freier-bildungsmaterialien/

irights.info/artikel/oer-urheberrecht-finanzierung-qualitaetssicherung/

werkstatt.bpb.de/ebook-oer-fuer-alle/

technologiestiftung-berlin.de/…/publikationen/Policy_Brief_I_-_Open_Educational_Resources.pdf

wikimedia.de/wiki/OERde14/Programm/Impulsvortrag Open Business Models/